Erkenntnisse von der IT-Front: Wie lässt sich der Kampf um die besten Talente gewinnen?

Gute Bezahlung und Flexibilität sind mittlerweile selbstverständlich. Welche Strategien sollten CIOs nach Meinung von IT-Fachkräften sonst noch berücksichtigen?

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„The Great Resignation“ von 2021 hat es für CIOs noch einmal schwieriger gemacht, auf dem eh schon hart umkämpften Markt gutes IT-Fachpersonal zu finden: Beinahe 3 von 4 IT-Fachkräften – und damit weit mehr als der Durchschnitt aller Beschäftigten in den USA – denken darüber nach, in den nächsten 12 Monaten ihren Job aufzugeben. 

Das bedeutet, dass CIOs häufig mehr bieten müssen als nur wettbewerbsfähige Gehälter und Zusatzleistungen, um das benötigte Personal zu rekrutieren und zu halten. Wie aber lassen sich viel gesuchte IT-Fachleute am effektivsten dazu überreden, zu kommen oder zu bleiben?

Um Einblicke aus erster Hand zu gewinnen, haben wir mit einer Gruppe erfahrener Fachkräfte, die in den verschiedensten IT-Rollen tätig sind, über den Fachkräftemarkt gesprochen. Im Folgenden präsentieren wir Ihnen einige der Highlights dieser Gespräche. Die Antworten wurden redaktionell bearbeitet und gekürzt.

Kernerkenntnisse:

  • Es ist wichtig, den Kandidaten gegenüber die Bedeutung der Mission, der Kultur und der gemeinsamen Werte des Unternehmens hervorzuheben.
  • Aus Stellenbewerbungen und anderen Rekrutierungsaktivitäten sollte ablesbar sein, dass das Unternehmen Fortschritte bei Diversität und sozialer Verantwortung gemacht hat.
  • Aufstiegs- und Entwicklungschancen sollten zu einer zentralen Komponente der Stellenausschreibung gemacht werden.
Teilnehmende: 
  • Rashid Feroze, Lead Security Engineer bei der Kreditkartenzahlungsplattform CRED
  • Carmen Fontana, ehemalige Softwareentwicklerin und zurzeit Director of Operations beim Digital-Healthcare-Unternehmen Augment Therapy
  • Ivan Ninichuck, Solutions Engineer bei Siemplify, einem Anbieter von Cybersecurity-Software
  • Ronnie Watson, IT Security Analyst im Finanzdienstleistungssektor

Was macht eine Stelle für Sie attraktiv und was hält Sie dort?

Fontana: Ich muss das Gefühl bekommen, dass meine Arbeit sinnvoll ist. Warum stehe ich Tag für Tag auf? Kann ich mich mit den Zielen des Unternehmens identifizieren? Werde ich von meiner Arbeit inspiriert? Habe ich den Eindruck, dass ich dem Unternehmen etwas geben kann? 

Feroze: Ich sehe mir auf jeden Fall an, wer im Unternehmen bereits arbeitet. Da, wo viele hoch talentierte Leute arbeiten, herrscht in der Regel ein gutes Arbeitsklima. Ich möchte auch wissen, ob es im Team jemanden gibt, zu dem ich aufschauen und von dem ich etwas lernen kann.

Watson: Die Chance, zu wachsen, mich zu entwickeln, zu lernen. Ich möchte sicher sein, dass gute Arbeit auch anerkannt wird. Wenn ich gute Arbeit leiste, möchte ich mich auch an anderen Projekten versuchen dürfen und Neues ausprobieren. 

Ninichuck: Für mich ist das Wichtigste an einem Unternehmen, dass ich mich mit dessen Werten identifizieren kann und dass ich sehe, dass das Unternehmen versucht, echte Cybersecurity-Probleme zu lösen.

Was sind für Sie die wichtigsten Faktoren bei Ihrer Entscheidung für oder gegen einen Job in einem Unternehmen?

Ninichuck: Der Führungsstil. Als Engineer möchte ich nicht durch Micromanagement gegängelt werden. Wenn ich eine Aufgabe zugewiesen bekomme, möchte ich selbst managen, wie die Arbeit erledigt wird, denn dann wird sie auch gut erledigt. Außerdem sehe ich mir an, ob die Stimmung zwischen den Kollegen positiv ist und ob es ein gewisses Maß an sozialer Interaktion gibt.

Watson: Ich möchte wissen, ob das Unternehmen alle Mitarbeitenden gleich behandelt, egal, wo sie herkommen oder welchen Titel sie tragen. Was die Arbeitsumgebung anbelangt, mag ich einen Mix zwischen entspannter Atmosphäre und intensiver Arbeit. Arbeit im Bereich Security kann dich ganz schön auf Trab halten und ich finde das besser, als Tag um Tag immer dasselbe zu tun.

Feroze: Wenn ich brainstorme oder meine Arbeit erledige, möchte ich nicht ständig hören, was alles erst genehmigt werden muss oder irgendwie nicht geht. Außerdem finde ich es gut, wenn die Führungskräfte Empathie zeigen und das Personal nicht als Maschinen, sondern als Menschen sehen. 

Fontana: Angesichts der gesellschaftlichen und politischen Ereignisse der letzten 18 Monate hat sich die Kultur von „Hier kann man nett mit netten Leuten arbeiten“ zu etwas gewandelt, das sinnstiftender ist. Die DNA des Unternehmens ist wichtiger geworden. Unternehmen werben damit, dass ihnen Diversität wichtig sei. Okay, wie sieht denn die Führungsetage und der Vorstand aus? Gibt es dort Diversität? Welche Möglichkeiten haben diverse junge Menschen bei Ihnen, sich für Führungsrollen zu qualifizieren?

Was sind die Minimalvoraussetzungen für ein attraktives Jobangebot?

Watson: Ein gutes Gehalt ist das Minimum, aber das ist nicht der einzige und auch nicht der wichtigste Faktor. Irgendwo findet sich immer jemand, der noch mehr bezahlt. Es geht darum, die Chance zu bekommen, sich im Job und im Unternehmen zu entwickeln. Wenn ich nach fünf Jahren oder so immer noch auf derselben Hierarchieebene festklebe, dann ist das nichts für mich.

Fontana: Einige Sachen, die vor der Pandemie ganz oben auf der Wunschliste standen, sind mittlerweile selbstverständlich geworden. Konkurrenzfähige Bezahlung, Home-Office, bezahlter Urlaub – das gibt es heute überall. Jetzt spielen Dinge wie die Mission des Unternehmens, die Wahrnehmung der sozialen Verantwortung und eine sinnstiftende Arbeit eine größere Rolle.

Feroze: Flexibilität bei den Arbeitszeiten, die Möglichkeit, mal eine Auszeit zu nehmen, oder Home-Office. Ich wünsche mir ein Hybridmodell, bei dem die Leute ein paar Tage die Woche ins Büro kommen können und an anderen Tagen von zu Hause aus arbeiten, wenn sie dies möchten. Darüber hinaus ist es für mich wichtig, dass ich mich mit den Werten des Unternehmens identifizieren kann. 

Ninichuck: Ich muss an das Produkt glauben können, daran, dass es echte Security-Probleme angeht und sie löst. Die andere Minimalvoraussetzung besteht darin, dass sowohl das Gehalt als auch die Arbeit meinem Erfahrungsstand entsprechen.

Welche „Nice-to-have“-Aspekte jenseits von Gehalt und Zusatzleistungen könnten den Ausschlag für eine Zusage geben?

Feroze: Für mich wäre das die Option, Mitarbeiteraktien zu erwerben. So werden alle im Unternehmen direkt am Unternehmen beteiligt. Wenn es dem Unternehmen gut geht, geht es auch mir gut. Man investiert dann mehr in die eigene Arbeit, weil einem das Unternehmen ja mitgehört.

Watson: Die Chance, sich durch die Beteiligung an verschiedenen Projekten weiterzubilden und weiterzuentwickeln. Das könnte den letzten Ausschlag geben.

Ninichuck: Angemessene Urlaubsregelungen sind ein netter Vorteil, sodass man mal Luft holen kann und nicht auf den Burnout zusteuert. 

Fontana: Eine*n dynamische*n Vorgesetzte*n zu haben, unter der oder dem man in einem Unternehmen arbeitet, das wirklich interessante, innovative Technologie-Arbeit leistet.

Nehmen wir einmal an, Sie haben einen Traumjob in einem Unternehmen. Was wären dann ein oder zwei Vergünstigungen, die es Ihnen schwer machen würden, das Unternehmen zu verlassen?

Fontana: Das ganze Vergünstigungen-Ding hat doch inzwischen seinen Glanz verloren. Ich brauche keine Tischtennisplatten im Büro. Ich möchte montags aufwachen und mich auf die Arbeit freuen und darauf, dass ich mich persönlich weiterentwickeln kann. Ich möchte spüren, dass ich etwas Sinnvolles tue, und wissen, dass meine Arbeit für das Unternehmen wertvoll ist.

Ninichuck: Die Freiheit, eigene Projekte auf die Beine zu stellen. So wie damals bei Bell Labs, wo die Leute arbeiten konnten, woran sie wollten und wie sie wollten. So entstand der Transistor. So entstand die Informationstheorie. Das wäre bei jedem Unternehmen mein Traum.

Watson: Ein Traumjob wäre es, wenn ein Unternehmen aus dem Silicon Valley, das an modernsten Security-Plattformen arbeitet, mich zu sich holen und mir Platz zur Entfaltung geben würde. Das mit dem Umziehen müsste ich natürlich noch mit meiner Frau klären.

Feroze: Für mich wäre das eine Kombination aus allem – von Führungskräften mit Empathie bis zur Flexibilität bei den Arbeitszeiten und zu Aktienoptionen. Am meisten aber die Freiheit. Persönlich würde ich gern irgendwo arbeiten, wo ich die Freiheit habe, zu experimentieren, zu entwickeln und zu implementieren, ohne allzu viele Genehmigungen von Vorgesetzten einholen zu müssen und ohne dass es allzu viele Reibungen gibt.